Wie kommt es zu einem de facto aus Wettbewerbern bestehenden Netzwerk und worin lag die Motivation zu diesem Zusammenschluss?
Kleine und mittlere Unternehmen stehen für Flexibilität, Pragmatismus, Unternehmertum. Gerade als eigentümergeführte Organisationen tun wir uns vielfach leichter damit, uns auf Nischen auszurichten und Potenziale zu bergen, für die große Unternehmen zwar die nötige Investitionskraft, doch seltener die nötige Agilität besitzen. Gleichzeitig profitieren große Unternehmen von einem größeren Ressourcenreservoir – beispielsweise in Form eigener PR- oder Rechtsabteilungen. Oder schlicht durch Skaleneffekte im Einkauf. Entweder man ist also Schnellboot oder Tanker.
Die Idee des Netzwerks ist die Bildung eine Flotte aus Schnellbooten. Wir sind rechtlich völlig eigenständige Unternehmen, die unter Einhaltung sämtlicher wettbewerbs- und kartellrechtlicher Vorgaben gemeinsam zusätzlichen Nutzen für ihre einzelnen Systempartner erschließen. Miteinander statt Gegeneinander also, wenn man so will.
Wie könnten solche Nutzen aussehen?
Das Feld möglicher Synergien ist riesig. Von gemeinsamen Vertrags- und Qualitätsanforderungen über kombinierte Aktionen in der Mitarbeiterausbildung und -entwicklung bis hin zu einer höheren Markttransparenz im Beschaffungsbereich durch gekoppelte Lieferantenneuvorstellungen gibt es unzählige Bereiche, in denen gemeinsame Anstrengungen fruchten können. Auch im technischen Bereich: Der Austausch über technologische Trends und Problemlösungen sowie das damit verbundene Voneinander-lernen reißt Barrieren nieder, von denen wir als Unternehmen und damit unser direktes Umfeld profitieren.
Was waren die größten Hindernisse in der Entstehung?
Sicherlich die Bildung und der Ausbau von Vertrauen. Investitionen in Nähe lassen sich nur in Zeiteinheiten messen, und in diesem Fall kam noch erschwerend hinzu, dass wir zuerst alte Denkmodelle in Frage stellen mussten. Schließlich galt lange die Devise „Wissen ist Macht“ – und wer möchte sich dann ausgerechnet einem Mitbewerber gegenüber öffnen?
Wir haben das letztlich durch eine sukzessive Herangehensweise geschafft, in der einer von uns dann den ersten Schritt gemacht hat und die anderen Mitglieder zu einer Firmenführung im eigenen Betrieb eingeladen hat. Durch gemeinsam verabschiedete Wertevorstellungen und das Wissen darum, dass alle von diesem Netzwerk profitieren, konnten wir den Vertrauensaufbau schließlich weiter vorantreiben. Darauf sind wir stolz.
War es denn überhaupt notwendig, ein solches Netzwerk zu gründen? Immerhin gibt es genügend andere Netzwerke und Zusammenschlüsse, die einen solchen Austausch ermöglichen. Man denke nur an das ZVEI in Deutschland und sein österreichisches Pendant, den FEEI.
Diese Frage haben wir uns wohl alle gestellt im Netzwerk. Auch wenn wir als alge electronic bislang bei keinem der beiden genannten Netzwerke aktiv in Erscheinung getreten sind, war für uns vor allem der Austausch auf Augenhöhe wichtig. Oder in anderen Worten: Wir gehen davon aus, dass die Lösungen eines EMS-Riesen mit 2.000 MitarbeiterInnen nicht als Blueprint für die Lösung unserer Herausforderungen herhalten kann. Auch die Vertrautheit ist im kleinen Kreis eine andere.
Es erschien uns deshalb als sinnvoller, uns mit Unternehmen in ähnlicher Größe zusammenzuschließen. Nur so können wir auch wirklich und zielgenau die Punkte adressieren, die es zu lösen gilt.
Abschließend noch die Frage zur Zukunft: Das Netzwerk EMS wurde 2021 als Verein gegründet. Woran ließe sich in drei Jahren festmachen, dass diese Bemühungen – und damit das Netzwerk – erfolgreich waren?
Da das Verbindende den Grundgedanken unseres Netzwerks darstellt sähe ich es als Erfolg, wenn sämtliche Mitglieder noch mit demselben Enthusiasmus beteiligt wären, mit dem sie gestartet sind und der auch jetzt nach einigen Monaten greifbar ist.
Um diesen Enthusiasmus beizubehalten ist Erfolg eine Grundvoraussetzung. Und in einer systemischen Welt muss das Erfolgskonto ausgeglichen sein. Damit meine ich nicht die jährliche GuV der einzelnen Mitglieder, sondern das gemeinsame Systemkonto: Das Netzwerk muss allen Beteiligten Nutzen gebracht haben. Das umfasst neben den Mitgliedern explizit die MitarbeiterInnen, Kunden und Lieferanten, die mit den einzelnen Unternehmen in Kontakt stehen.
Wenn wirklich jeder durch das Netzwerk mehr bekommen hat, als er ohne das Netzwerk erhalten hätte, dann war unsere Idee erfolgreich.
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Netzwerk EMS